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Sulfatangriff auf Beton: Empfehlungen
Thaumasitbildung: Offizielle Stellungnahme des DAfStb
Schießl, Peter
In jüngerer Zeit wurden in Deutschland zwei Schäden an Betonbauwerken dokumentiert, die auf einen Sulfatangriff aus Böden und Wässern zurückgeführt werden. In der Praxis wurden diese Schäden unterschiedlich begründet und interpretiert, zum Teil wurden zunächst falsche Zusammensetzungen des betroffenen Betons genannt. Die widersprüchlichen Informationen haben zu einer Verunsicherung geführt. – Zusätzlich wurden Ergebnisse von neueren Laboruntersuchungen veröffentlicht und es wurden Standpunkte zur Sulfatproblematik verbreitet, die die Verunsicherung zum Teil noch verstärkt haben. – Der Deutsche Ausschuss für Stahlbeton (DAfStb) hat eine Expertengruppe eingesetzt, die einerseits den gesicherten Stand der Erkenntnisse aus vorliegenden Untersuchungen und Praxisbeobachtungen herausarbeiten und darauf aufbauend Empfehlungen für ggf. vorhandenen Handlungsbedarf hinsichtlich der Regelsetzung ausarbeiten soll. – Um einer möglichen Verunsicherung in der Praxis und bei den Bauherren vorzubeugen und Sulfatschäden in Bauwerken zu verhindern, gibt der DAfStb in seiner Verantwortung für die Betonnormung und Regelsetzung folgende Stellungnahme und Empfehlung heraus: – Deutsche Normfestlegungen – Betonbauteile, die einem Sulfatangriff ausgesetzt sind, können durch Treiberscheinungen infolge sekundärer Ettringit- und/oder Gipsbildung bei niedrigen Bauteiltemperaturen zusätzlich durch Thaumasitbildung geschädigt werden. Zur Vermeidung von Schäden fordern sowohl die alten als auch die neuen Betonnormen einen Beton mit hohem Sulfatwiderstand. Bei Beachtung der Normfestlegungen für Beton mit ho-hem Sulfatwiderstand sind bisher keine Schäden bekannt geworden. – Der Widerstand von Beton gegen Sulfatangriff setzt sich aus einem chemischen und aus einem physikalischen Widerstand zusammen. Für den chemischen Widerstand ist im Wesentlichen der eingesetzte Zement bzw. die eingesetzte Zement-Flugasche-Kombination maßgeblich, für den physikalischen die Gefügedichtigkeit, gesteuert über Wasserzementwert und Zementart. – Die Bewertung des Sulfatwiderstands eines Zements bzw. einer Zement-Flugasche-Kombination erfolgt bislang auf der Basis von Zeitraffer-Laborprüfungen: – An Flachmörtelprismen (d = 10 mm) mit einem Wasserzementwert von 0,60 (Wittekind-Verfahren) bzw. 0,50 (SVA-Verfahren) werden bei 20 °C in hochkonzentrierter Sulfatlösung (2 9800 mg SO4/l) Dehnungen gemessen. Liegen die Dehnungen nach 56 Tagen (Wittekind-Verfahren) bzw. nach 91 Tagen (SVA-Verfahren) unterhalb des Bewertungsgrenzwertes von 0,5 mm/m, erfüllt der geprüfte Zement die Voraussetzungen eines hohen Sulfatwiderstands, d.h. die Eignung als HS-Zement. – Der für Beton mit diesen Zementen bzw. Zement-Flugasche-Kombinationen zusätzlich erforderliche physikalische Widerstand ist in DIN 1045-2, Abschnitt 4.1, Tabelle 2 für die Expositionsklassen XA1, XA2, XA3 definiert und durch die Festlegung der höchstzulässigen Was-serzementwerte für diese Expositionsklassen in DIN 1045-2, Anhang F, Tabelle F 2.2-Teil 2 geregelt. – Die etwa 50-jährige Erfahrung mit diesen Normfestlegungen zum Sulfatwiderstand zeigt, dass bei Beachtung dieser Festlegungen keine Schäden infolge Sulfatangriff zu erwarten sind. – Die in DIN 1045-2, Abschnitt 5.2.5.2.2 getroffenen Festlegungen für Beton aus Zement-Flugasche-Kombinationen mit ausreichendem Sul-fatwiderstand bei Angriff durch sulfathaltige Wässer und Böden mit bis zu 1 500 mg SO4/l sind ebenfalls begründet durch die zuvor erläuter-ten Zeitraffer-Laboruntersuchungen (SVA-Verfahren) zusammen mit den entsprechenden Anforderungen an die Wasserzementwerte in DIN 1045-2, Anhang F. – Thaumasitschäden in England – In England sind in den zurückliegenden Jahren bei Betonen Schäden aufgetreten, die entweder einem Angriff durch stark sulfathaltige Böden und Wässer oder einem kombinierten Säure-Sulfatangriff durch Oxidation sulfidhaltiger Böden ausgesetzt waren. Die Schäden zeigten sich in Treiberscheinungen infolge Sekundärettringit und Sekundärgips und in Entfestigungen durch Thaumasit. – Bei Thaumasit handelt es sich um ein dem Ettringit verwandtes Mineral mit ähnlicher Kristallstruktur, das kein Aluminium, aber zusätzlich Silizium und Carbonat enthält. Die Thaumasitbildung führt im Unterschied zur Ettringitbildung aber nicht zu einer treibenden Reaktion, son-dern zu einer Auflösung der Zementsteinmatrix, sodass sich fester Beton in eine breiige Masse umwandelt. – Eine Thaumasitbildung ist nach derzeitigem Erkenntnisstand nur unter folgenden Randbedingungen möglich: – ·Feuchteeinwirkung und herkömmlicher Sulfatangriff (aus sulfathaltigen Wässern und Böden oder sulfidhaltigem Gestein, z.B. Pyrit), – ·überwiegend niedrige Temperaturen (t < 15 °C), – ·carbonathaltige Betonzusätze (z.B. Kalksteinmehl, Gesteinskörnung aus Kalkstein etc.) oder externe Carbonatquellen (Wasser, Luft). – Die in England festgestellten Schäden waren Anlass, die in Deutschland getroffenen Festlegungen nochmals zu überprüfen. Da Thaumasit nur bei niedrigen Temperaturen, wie sie im Grundbau vorkommen, gebildet wird, war besonders der Einfluss niedriger Temperaturen dabei zu untersuchen. – Die Ergebnisse zeigen, dass im Flachprismenverfahren bei den hohen Sulfatkonzentrationen und niedrigen Temperaturen einige Zement-Flugasche-Kombinationen das für 20 °C abgeleitete Prüfkriterium nicht einhalten und nach längerer Lagerungszeit ? jenseits der Zeitdauer der Prüfkonvention ? auch starke Dehnungszunahmen zeigen. Diese Ergebnisse deuten mit hoher Wahrscheinlichkeit auf ein Prüfartefakt hin, verursacht durch die unzureichende Reife der Mörtel der Flachprismen in Kombination mit der gewählten hohen Lösungskonzentration. Ein baupraktisches Risiko ist daraus nach derzeitigem - auch internationalem ? Kenntnisstand nicht abzuleiten. – Der Frage einer praxisrelevanten Laborprüfung wird die Expertengruppe des DAfStb weiter nachgehen. Tatsache ist, dass das Flachprismen-verfahren und das daraus abgeleitete Beurteilungskriterium nur für Normallagerung bei 20 °C an Praxisergebnissen kalibriert ist. – Inwieweit ein Thaumasitschaden stets einer vorauseilenden Treiberscheinung und damit Gefügelockerung durch eine Ettringit-/Gipsbildung bedarf, ist ebenfalls nicht abschließend geklärt. – Folgerungen – Da die in England und Deutschland bekannt gewordenen Schäden nur an Betonen festgestellt wurden, die den in DIN 1045-2 getroffenen Anforderungen an Beton mit hohem Sulfatwiderstand nicht entsprechen, bzw. im Fall eines kombinierten Säure- und Sulfatangriffs dafür nicht sachgerecht zusammengesetzt waren, besteht derzeit kein Anlass, diese Festlegungen zu überarbeiten ? das gilt auch für die Zement-Flugascheregelung bei Sulfatangriffen bis zu 1 500 mg SO4/l. – Unzweifelhaft ist, dass in den Laborversuchen mit erhöhten Sulfatlösungskonzentrationen HS-Zemente keine erhöhten Dehnungswerte bei niedrigen und Normaltemperaturen zeigen ? weder mit noch ohne Kalksteinmehl und/oder SFA-Zusätzen. – Weiterhin ist eindeutig, dass Kalksteinmehl-Zumahlungen zum Zement, die erheblich über 5 M.-% liegen oder Kalksteinzusätze zum Beton die Thaumasitbildung in Kombination mit den genannten Versuchsbedingungen im Labor (niedrige Temperaturen, hohe Sulfatgehalte) be-günstigen. Einzelne HS-Zemente haben im Laborversuch geringere Neigung zu Thaumasitbildung gezeigt. Nach heutigen Erkenntnissen muss aus den Laborergebnissen nicht gefolgert werden, dass bei normengemäßen Betonzusammensetzungen in der Praxis Schäden auftreten können. – Handlungsbedarf – Für pyrithaltige Böden besteht Präzisierungsbedarf in der DIN 4030-1, die nach wie vor auch in Zusammenhang mit DIN EN 206-1 und DIN 1045-2 anzuwenden ist (vgl. Anmerkung zu Tabelle 1 in DIN 1045-2). Wegen des möglichen, kombinierten Säure-/Sulfatangriffs muss bei Vorliegen von pyrithaltigen Böden zzt. ein Gutachter eingeschaltet werden. Für die notwendigen Ergänzungen in DIN 4030-1 wird der ent-sprechende Normenausschuss in neuer Zusammensetzung die Arbeit kurzfristig aufnehmen. – Die vom DAfStb eingesetzte Expertengruppe zum Sulfatwiderstand wird auf der Basis der im In- und Ausland vorhandenen Kenntnisse und Erfahrungen besonders zwei Fragestellungen bearbeiten und eventuell notwendig werdende vorbeugende Maßnahmen für das Regelwerk ausarbeiten: – ·Prüf- und Bewertungshintergrund bei Laboruntersuchungen zum hohen Sulfatwiderstand besonders bei niedrigen Temperaturen, der den mit Zementen und Bindemittelgemischen im Beton erzielbaren Sulfatwiderstand richtig einstuft, – ·Voraussetzungen für eine Thaumasitbildung und Einfluss von Thaumasit auf den Schadensverlauf. –
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beton 5/2003 ab Seite 244
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